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Die Rolle von Vertrauen wird überschätzt [Warum wir die Kamera am Laptop zukleben, am Smartphone aber nicht]

Jeder vierte Schweizer deckt die Kamera seines Laptops oder PCs ab. Wir vertrauen den Tech-Firmen nicht –die Befürchtung, dass Unbefugte heimlich mitschauen, ist gross.

Beim Smartphone – das Gerät, das uns von der Toilette bis im Schlafzimmer ständig begleitet – ist es hingegen nur jeder Zwanzigste. So die Zahlen des repräsentativen Schweizer Media Use Index 2018.

Dieses Verhalten macht keinen Sinn – oder doch?

Ein verbreitetes Paradox

Wir setzten uns über unser eigenes Misstrauen hinweg. Dieses scheinbar widersprüchliche Verhalten ist kein Einzelfall: Millionen von Menschen veröffentlichen auf Social Media ihr Leben, geben beim online Shopping ihre Vorlieben preis und tummeln sich auf Messengern wie WhatsApp, die punkto Datenschutz hoch in der Kritik stehen.

Gleichzeitig ergeben Umfragen, dass der fehlende Schutz der Privatsphäre zu den grössten Sorgen des digitalen Zeitalters zählen. So beispielsweise in der Schweiz: Laut einer Studie der Universität Zürich (2017) ist die Hälfte der Schweizer Internetnutzer (51%) eher oder stark besorgt darüber, dass Unternehmen ihre Privatsphäre online verletzen.

Datenschutz ist bei der Wahl des Messengers weitgehend irrelevant
Die meist genutzten Messenger der Welt haben allesamt eine niedrige Datenschutzbewertung (Quelle: Institut für Deutsche Wirtschaft Köln auf Basis von Statista (2017) und Unernehmenswebsiten)

Wir wissen es nicht besser, sind faul und haben keinen freien Willen

Dieser Widerspruch zwischen Einstellung und Verhalten im Bereich der Datensicherheit ist ein wiederholt untersuchtes Phänomen, das unter dem Namen “Privacy Paradox” gehandelt wird.

Die Erklärungsversuche der Wissenschaft sind divers:

  • Die wahrgenommene Vorteile überwiegen wahrgenommenes Risiko
  • Die Macht der Gewohnheit überwiegt
  • Wir sind irrational oder wissen es nicht besser
  • Wir handeln unter indirektem Gruppendruck 
  • Wir fokussieren auf kurzfristige Belohnungen statt langfristige Konsequenzen

Einfachheit gewinnt

Eine andere mögliche Erklärung findet man mit Blick auf das Behaviour Model von B. J. Fogg – ein Pionier im der Verhaltensforschung und Gründer des Stanford Behavior Design Labs.

Das Modell sagt aus, dass Verhalten das Resultat ist aus Motivation, Fähigkeit, und Auslöser.

Fogg behaviour Model: Action ist he result of high Motivation and high Ability
Quelle: Stoneridge Software

Erzählt mir jemand, dass meine Webcam gehackt werden kann (Auslöser), will ich meine Privatsphäre schützen (Motivation).

Im Falle vom Laptop kommt das Verhalten zustande: Es ist super einfach, ein Post-It auf die Kamera zu kleben (Fähigkeit hoch/ einfach).

Beim Smartphone mache ich es nicht: Ich nutze die Kamera ständig – wäre ja mühsam, das Post-It bei jedem Foto runterzunehmen. Ausserdem fällt es immer ab. (Fähigkeit tief/ schwierig).

Also lass ich es beim Smartphone bleiben, trotz Auslöser und gleichbleibender Motivation.

Vertrauen beeinflusst unser Verhalten nur beschränkt

Was die Ursache auch ist – das Resultat ist dasselbe: Nur weil wir Misstrauen äussern, heisst das nicht, dass wir nicht bereit sind, ein Produkt oder Serivce zu nutzen.

Ist die Lösung super einfach oder super hilfreich sind wir gerne bereit, über unseren eigenen Schatten zu springen.

So what?

Startups und Innovatoren weisen ein Vertrauensdefizit auf. Geniale Lösung hin oder her – wer/was neu ist, muss sich beweisen.

Baust du Hürden ab und Motivation auf fällt dieses fehlende Vertrauen weniger ins Gewicht. Deine Chance, zu beweisen, was du kannst!

Aber aufgepasst: Dieser Hack ist deine Chance, zu beweisen, dass du Vertrauen verdient hast! Nutze ihn nicht leichtfertig. Sonst enttäuschst du deine Kunden und ruinierst deinen Ruf und damit deine Chancen am Markt.

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