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«Medienarbeit nicht immer am Element ‚Startup‘ aufhängen» [Journalisteninterview: Handelszeitung]

Wie kommst du als Startups zu Medienecho und was gilt es zu beachten? Darüber sprachen wir mit Stefan Mair, Ressortleiter bei der Handelszeitung.


Du bist Ressortleiter bei der Handelszeitung und hast dich dem Thema Startups angenommen. Was machst du in dieser Rolle?

Ich verantworte die Startup-Seite der Handelszeitung. Auf dieser portraitieren wir pro Jahr gut 50 Jungunternehmen. Ausserdem betreute ich unser jährlich erscheinendes Beilagemagazin «Startup». In dieser Publikation werden 100 Startups präsentiert, die das Potenzial haben, neue Akzente in einer Branche zu setzen.

Wie positioniert sich die Handelszeitung verglichen mit startupticker.ch oder der NZZ?

Startupticker.ch begleitet die Szene enger – will jede Bewegung abbilden. Die Handelszeitung erzählt Geschichten, stellt Protagonisten in den Mittelpunkt, ordnet Geschehnisse in grössere Trends ein. Wir bereiten Startup-Themen so auf, dass sie für Leser spannend sind, die sich nicht genuin für die Szene interessieren. Die NZZ macht noch einen Schritt zurück und betrachtet die Geschehnisse aus einer Makroperspektive. Wir befinden uns also im Mittelfeld, was die Nähe zur Startupszene anbelangt.

„Wir bereiten Startup-Themen so auf, dass sie für Leser spannend sind, die sich nicht genuin für die Szene interessieren.“

Wie sieht der Redaktionsprozess aus: Wie füllt sich die Handelszeitung in einer normalen Arbeitswoche?

Dreh- und Angelpunkt sind unsere Redaktionssitzungen: Bei diesen entscheiden wir darüber, welche Inhalte publiziert werden. Für Print findet eine am Montag und am Donnerstagmorgen statt, für Online täglich um 9 Uhr.

Die Donnerstagssitzung ist für die Print-Ausgabe besonders relevant, weil diese am Donnerstag erscheint. Aktuelle Neuigkeiten reichen Startups also idealerweise am Dienstag oder Mittwoch ein, dann ist die Chance am höchsten, dass diese in der Druckversion aufgenommen werden. Für Formate, die nicht von Aktualität getrieben sind, ist der Zeitpunkt weniger relevant.

Wie kommt ihr zu den Inhalten, aus denen ihr auswählt?

Einerseits werden wir proaktiv bespielt: Täglich landen hunderte von Medienmitteilungen bei uns, davon aber nur rund fünf Meldungen von Startups.

Anderseits machen wir uns aktiv auf die Suche: Wir treffen Leute, rufen an und lesen Blogs, andere Medien und Geschäftsberichte. Die Visibilität der Startups ist für meine Arbeit wichtig und die Erreichbarkeit absolut kritisch.

„Die Visibilität der Startups ist für meine Arbeit wichtig und die Erreichbarkeit absolut kritisch.“

Du hast die Medienmitteilung angesprochen. Ist das für Startups der richtige Weg, um Journalisten anzusprechen?

In meinem Fall, ja. Eine knackig E-Mail ist mir lieber als ein Anruf. Ich bin kein Fan von Cold Calls. Professionelle Medieninformation kommt in schriftlicher Form und ist schnell und klar transportiert. Wenn ich nicht reagiere, geht ein freundlicher Anruf in Ordnung. Dann können wir besprechen, was gegeben sein muss, damit eine Geschichte interessant wird.

Wie sieht die ideale Medienmitteilung eines Startups aus?

Ich muss schnell merken, um was es geht – keine Textwüsten. Die News stehen am Anfang, idealerweise inklusive Zitate.  Am Schluss werden noch ein paar Sätze mit Hintergrundinformationen angehängt. Startups können mir auch direkt mitteilen, was sie gerne von mir hätten – ein Hintergrundgespräch, News oder ein Portrait.

Das Ganze direkt in der E-Mail, PDFs mitschicken ist nicht nötig. Hingegen freue ich mich über gute Bilder im Anhang. So können wir schnell publizieren, das ist gerade im Online-Journalismus erfolgskritisch.

Weiter brauche ich eine Kontaktperson. Ein Journalist will eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer.

 „Weiter brauche ich eine Kontaktperson. Ein Journalist will eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer.“

Wie entscheidet ihr, ob es ein Startup in die Berichterstattung schafft?

Das kommt auf das Format an. Für das Startup-Portrait nutzen wir ein einfaches Schema: Die Firma darf nicht älter als drei Jahre sein und muss sich über das Ideen-Stadion herausbewegt haben. Ein paar Kunden und ein minimaler Umsatz sind von Vorteil.

Ansonsten werden Startups wie jede andere Firma behandelt. Dann spielen die klassischen Nachrichtenwertfaktoren die ausschlaggebende Rolle: Aktualität, Überraschung, starke Protagonisten, Relevanz.

Welche Startup-News haben aus deiner Perspektive Nachrichtenwert?

Wir entscheiden mit Blick auf unsere Leserschaft – viele sind KMUs. Ein Bezug zu dieser Gruppe ist von Vorteil.

Abgeschlossene Investitionsrunden interessieren, vorausgesetzt, sie überschreiten eine gewisse Höhe. Finanzierungsrunden über wenige Millionen sind eine kurze Nachricht, mehr als zehn Millionen ein ausführlicherer Artikel, 500 Millionen schaffen es auf das Titelblatt. Das hat beispielsweise GetYourGuide kürzlich geschafft.

Kooperationen mit grossen Firmen wie SBB oder Migros haben ebenfalls Nachrichtenwert. Damit beweist das Startup, dass es das Vertrauen einer etablieren Institution hat.

„Kooperationen mit grossen Firmen wie SBB oder Migros haben Nachrichtenwert. Damit beweist das Startup, dass es das Vertrauen einer etablieren Institution hat.“

Produktlancierungen interessieren nur, wenn sie überraschend und neu sind. Hier bietet es sich für Startups an, Wellen mitzureiten. Als FinTech aufkam, berichteten wir über die Vertreter dieser Bewegung. Anschliessend folgte PropTech und RegTech.

„Finanzierungsrunden über wenige Millionen sind eine kurze Nachricht, mehr als zehn Millionen ein ausführlicherer Artikel, 500 Millionen schaffen es auf das Titelblatt.“

Kann ein Startup Nachrichtenwert erschaffen?

Das Startup kann und soll eine proaktive Rolle übernehmen. Schaff dir ein Profil und positioniere dich als Experte. Startups müssen ihre Medienarbeit nicht immer am Element «Startup» aufhängen, gerade bei Geschichten, die über reine News herausgehen.

„Startups müssen ihre Medienarbeit nicht immer am Element «Startup» aufhängen, gerade bei Geschichten, die über reine News herausgehen.“

Beispiel: Das Startup Selma Finance positioniert sich als Experte zum Thema GDPR und zieht so die Medienaufmerksamkeit auf sich.

Gewisse Firmen bieten Medien die Exklusivrechte an einer Story an, um die Chance auf eine Publikation zu erhöhen. Zieht das bei euch?

Damit kann man arbeiten. Etwas, das bereits irgendwo publiziert wurde, ist uninteressant für die Handelszeitung. Deshalb frage ich durchaus nach, ob eine Story exklusiv ist oder nicht.

Das war beispielsweise bei der Geschichte zur unbegrenzten Ferienzeit bei Advanon der Fall. Exklusivität heisst dabei, dass wir als Erste berichten. Ein Startup garantiert zum Beispiel,  uns eine Pressemitteilung einen Tag früher als anderen Medien zu senden.

Beispiel: Startup Avanon gewinnt die Aufmerksamkeit von Tagesanzeiger, 20 Minuten, Watson und weiteren durch ihre Geschichte der unbegrenzten Ferienzeit. Die Berichterstattung ist aber nicht nur positiv – eines der Hauptrisiken von Medienarbeit.

Wie wichtig ist die «Media» Page auf der Website von Startups?

Sehr wichtig. Grundsätzlich gilt: Je komplizierter die Informationsbeschaffung, desto unattraktiver für Journalisten. Idealerweise ist eine Kontaktperson angegeben mit E-Mail und Telefonnummer. Vorgefertigte Eingabeformulare sind eher hinderlich.

Weiter gilt: Keine Bilder, kein gutes Medienecho. Es lohnt sich, in gute Bilder und eine optische Strategie zu investieren. So kann sich ein Startup positiv differenzieren: Grosse, schöne Fotos von Gründerinnen und Gründern, die lebendig wirken – keine Bewerbungsfotos. Spannend sind auch Bilder vom Team, bei der Arbeit, vom Produkt. Bei Software sind auch Screenshots willkommen.

„Keine Bilder, kein gutes Medienecho. Es lohnt sich, in gute Bilder und eine optische Strategie zu investieren.“

Was wünschst du dir, wenn du mit dem Startup Kontakt aufnimmst?

Responsivität ist Key. Erstens muss jemand erreichbar sein unter der angegebenen Nummer – klingt logisch, ist aber nicht selbstverständlich.

Wer antwortet ist hingegen weniger relevant. Ob Gründerin oder Kommunikationsverantwortlicher – was zählst, ist dass das Startup eine Stimme entwickelt und sich zutraut, etwas zu sagen. Authentisch und schnell – das hat beispielsweise Ava im Griff. Die Firma liefert innert kürzester Zeit brauchbare Statements.

Noch kurz zu eurem Magazin «Startup» – wen führst du dort auf?

Ich habe keinen Einfluss darauf, wer in «Startup» erscheint. Eine Jury wählt die 100 Startups. Wir sehen es als wichtiges Tool, um die Schweizer Szene ausserhalb der Startup-Bubble greifbar zu machen.

Tipp: So erhältst du die Auszeichnung „Top 100 Swiss Startup“

Zum Schluss noch ein DO und ein DON’T für die Medienarbeit von Startups.

DON’T: Seid nicht zu verschlossen und geheimniskrämerisch – seid proaktiv, lasst euch auf das mediale Spiel ein und wagt es, euch zu positionierten.

DO: Findet eine Geschichte, die euch im hier und jetzt interessant macht und euch ein Profil gibt


Stefan Mair (1987) ist Ressortleiter bei Ringier Axel Springer Schweiz AG und Dozent an der Universität Liechtenstein. Er hat in Wien studiert mit Studienaufenthalten in Istanbul und News York City.

Die Handelszeitung ist die grösste Schweizer Wirtschaftszeitung mit total 80’000 Lesern. Sie richtet sich an wirtschaftsinteressierte Leser in der Deutschschweiz. Hauptsächlich sind dies Kaderleute in kleineren und mittleren Unternehmen. Die Handelszeitung gehört zum Verlag Ringier Axel Springer.

Preis Publireportage (2019): 8’505 (0.5 Seiten) bis 29’700 (2 Seiten)

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